Der Cervelat - die Nr. 1 aus dem eidg. Wurstkessel

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Baecker
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Der Cervelat - die Nr. 1 aus dem eidg. Wurstkessel

Beitragvon Baecker » Sa 19. Mär 2016, 22:14

Der Cervelat - die Nr. 1 aus dem eidg. Wurstkessel

Menge: 1 Text

Cervelat
Cervela
Cervelas
Servela


Des Schweizers liebste Wurst, der Cervelat [...] ist eine Bruehwurst
und besteht als solche zu 60 Prozent aus Wasser, aus Rind- und
Schweinefleisch sowie Speck und Schwarten; der Anteil an Fett liegt
bei 25, der an Eiweiss bei 12 Prozent. Die restlichen Prozente
antfallen auf Wuerzstoffe, Salze, Zuckerarten, Nitrit und Phosphat,
etwas mehr in der Romandie, etwas weniger in der Deutschschweiz
(sonst sind die verschiedenen Rezepte praktisch ueberall etwa die
gleichen).

Das liest sich zugegebenermassen ziemlich grauslich - wie auch
anderes, das analysiert und in Prozente zerlegt wird: Der Mensch, das
angeblich edelste Produkt der Schoepfung besteht aus 65 Prozent
Wasser, 30 Prozent Fett und Eiweiss sowie 5 Prozent Glukogen,
Mineral- und anderen Stoffen. Der Mensch ist abgepackt in oft
schrumplige, behaarte Haut; die Haut des Cervelats hingegen ist duenn
und wunderbar glatt. Sein appetitliches Aussehen verdankt der
Cervelat einer sich im Einklang stehenden Zubereitungsart: Schnell
rotierende Messer eines Cutters verarbeiten die Zutaten (siehe obe,
Fremdwasser in Form von Eis) zu einem homogenen Braet. Prall wird
dieses in den Naturdarm "gestossen", abgebunden oder mit einer
Metallklammer abgeclippt. Anschliessend wird der Cervelat, was seine
Haltbarkeit und seinem Aussehen zugute kommt, waehrend 40 bis 45
Minuten heiss geraeuchert und in 75 Grad heissem Wasser gebrueht. Das
Resultat der ganzen Prozedur: eine etwa 110 Millimeter lange, um die
35 Millimeter dicke und rund 100 Gramm schwere,
hellbraun-matt-glaenzende Schoenheit.

Doch nicht allein sein Aeusseres erhebt den Cervelat zur Nr. 1 der
typisch schweizerischen Wurstwaren. Populaer ist er auch wegen seiner
vielseitigen An- und Verwendungsmoeglichkeiten. Der Cervelat laesst
sich kalt am Stueck oder als Wurstsalat essen; auch warm aus dem Sud.
Oder als Wurst-Kartoffel-Eintopf, das heisst gewuerfelt und mit
Kartoffelwuerfeln und Zwiebeln gegart. Oder grilliert, zum Beispiel
mit einer Kaesescheibe zwischen den Haelften als Cordon bleu. Oder an
Stecken gesteckt und ueber flammenden Feuer zu Kohle verdorben. Oder
gewuerfelt und gebraten den Hoernli beigegeben.

Obzwar gemaess unserem verqueren Denken nur das Teure gut ist - und
der billige Cervelat somit schlecht zu sein hat -, schmeckt der
Cervelat den Betuchten wie auch knapp Betuchten.

Allein die Vielseitigkeit und der Preis vermoegen allerdings die
Spitzenposition des Cervelats nocht nicht zu erklaeren. Denn bieten
andere Bruehwuerste wie Schueblig, Schuetzen- und Schweinswurst,
Wienerli nicht die gleichen oder aehnliche Vorteile? Argumente wie
der Hinweis auf vaterlaendische Gefuehle oder Erinnerungen an
Schulreise, Pfadi und Militaerdienst sind ebenfalls nicht allzu hoch
zu bewerten, denn davon profitieren ja auch Schueblig und Landjaeger.

So koennen wir nicht umhin, den Erfolg des Cervelats in einer hoeheren
Sphaere aufzuspueren, naemlich in der Kunst. Der Cervelat ist als
Gesamtkunstwerk zu betrachten, das alle fuenf Sinne anspricht: Auge
(Schoenheit), Gefuehl/Tastsinn (zart-fester Biss, Schmelz des
Braets), Nase (dezenter Gewuerz- und Rauchgeruch), Gaumen (Vielfalt
des Geschmacks), Ohr (zarter Knackton beim Hineinbeissen,
Brutzelgeraeusche beim Braten). Marcel Duchamp hatte seinerseits den
Flaschenstaender zum Kunstwerk erklaert. Fuer Andy Warhol war die
Suppendose von Campbell die gegebene Kunstform. Roy Lichtenstein
erfasste im Hot dog das zeitgemaesse Kunstempfinden der Amerikaner.
Wo ist der zeitgenoessisch-eidgenoessische Kuenstler, der dem
Cervelat ein Denkmal setzt?

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